ZEITUNGSARTIKEL

GESCHICHTE

Die Geschichte der Familie Osselmann


Vorurteile - nichts krallt sich eigensinniger in den Köpfen fest, als Vorurteile, vor allem solche, die von Vätern und Großvätern ungeprüft übernommen und überliefert wurden.

Mit dem Begriff "fahrendes Volk" wird gleich alles von obern herab betrachtet und für unzulässig erklärt: die Leute vom Zirkus oder der Kirmes, Gaukler auf den Strassen, manchmal auch Schauspieler und Zigeuner.

In unserer Geschichte geht es allerdings um die Menschen von der Kirmes: den Schaustellern.

Jeder Mensch hat jedes Jahr genügend Gelegenheiten, seine Vorurteile, falls welche bestehen, auf den verschiedenen Kirmesschauplätzen zu überprüfen und zu revidieren. Dabei haben die Düsseldorfer die besten Möglichkeiten dies zu tun, denn gerade in ihrer Stadt gibt es viele Familien, in denen das Gewerbe seit Generationen vererbt wird. Eine dieser Familie sind wir, die Familie Osselmann.

Aus Düsseldorf Willi Osselmann und aus Mettmann sein jüngerer Bruder Heinz - im Grunde aber zwei alteingesessene Düsseldorfer Jungs.



Die Geschichte der Familie Osselmann lässt sich in Düsseldorf bis ins 17. Jahrhundert nachweisen. Das Bildnis von Heinrich Osselmann im Stadtmuseum weist ihn als Prior des Kreuzherrenklosters im 17. Jahrhundert in der Düsseldorfer Altstadt aus. In Mettmann sind die Osselmanns ebenfalls bis ins 17. Jahrhundert nachweisbar , jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Schaustellergewerbe.



Willi und Heinz - der eine ein Geschäftsmann mit Schießstand, der Andere mit einem "Autocenter", früher ein so genannter "Selbstfahrer", haben einen Urgroßvater, dessen Name schon mit dem Begriff Karussell verbunden war. Sein Name: Heinrich Wilhelm Osselmann, verheiratet mit Anna Maria Bürgel, von Beruf Schmied (laut alten Urkunden Schmied und Veterinär). Für einen Schmied lag es also Nahe, ein Karussell zu schmieden, jedenfalls wird er seit jeher auch Karussellbesitzer genannt.

Urgroßvater Karussellschmied betrieb den beliebten Kinderspaß noch nicht selbst. Doch wenn man die Geschichte der Familie Osselmann in dieser Zeit weiter verfolgt, stellt man fest, dass auch schon einer der Söhne sich Schausteller und Karussellbesitzer nannte. Dieser Sohn hieß ebenfalls Heinrich Wilhelm und wurde 1854 in Haan geboren und war ein unternehmungslustiger Mann. 1885 heiratet Heinrich Wilhelm in Düsseldorf und zog an die Buschermühle, ein idyllisches Plätzchen, das damals weit außer halb der Stadt lag.

In der technischen Entwicklung des Gewerbes spiegelte sich stets die technische Entwicklung der Zeit wieder. 1834 war das Riesenrad mit den drehbaren Gondeln die Sensation des Hamburger Doms, der großen Winterkirmes der Hansestadt.

Da Riesenrad hatte Gondeln, die sich beim Kreisen des Rades um sich selbst drehten. Das Riesenrad selber wurde noch von kräftigen Männern per Hand gedreht. Beleuchtet wurden die Geschäfte dieser Art mit Karbidlampen, später mit Petroleumlampen. Dieses Riesenrad wurde sogar bildlich, in Form eines Gemäldes, festgehalten und kann bis zum heutigen Tag in einem Hamburger Museum betrachtet werden.

Einige Schaustellerkollegen schenkten Willi Osselmann eine kolorierte Fotografie dieses Gemäldes, aber nicht ohne ihm einen kleinen Streich zu spielen. Dort wo der Fahrpreis "5 Pfennig" stehen sollte, ist eine "50" zu sehen, ein unvorstellbarer Preis für ein Kirmesvergnügen vor 1900.

Es dauerte nicht lange, da sorgte Heinrich Wilhelm für eine neue Sensation. Auf dem Kasernengelände an der westlichen Königsalleeseite, dort wo heute das Görresgymnasium steht, baute er ein, aus England importiertes, Dampfkarussell auf. Dieses Karussell war um eine Dampfmaschine herum konstruiert und der Karussellmast war der Schornstein. Später wurde dieses Karussell an ein Lokomobil angeschlossen, das elektrischen Strom zum Antrieb des Geschäftes und zur Beleuchtung erzeugte.

Während dieser ganzen Zeit mit seinen technischen Fortschritten wurde Theodor Wilhelm Osselmann geboren, der Vater von Willi und Heinz, sowie Tochter Elisabeth Ingeborg. Die einzige Tochter des Hauses betreibt zwar sel ber kein Fahrgeschäft, ist jedoch zusammen mit Ehemann Ernst Haase der Großlieferant für das lockende, bunte Zubehör der Los- und Lotteriebuden.

Willi Osselmann erinnerte sich immer daran, mit wie viel Liebe und Begeisterung sein Vater von der Zeit in der Buschermühle gesprochen hat, die er als Kind und junger Mann dort erleben durfte.

"Es war seine schönste Zeit", sagte er immer. Mit ähnlichen Erinnerungen betrachtete Willi Osselmann das Haus an der Kaiserswerther Strasse 259. Seit der Jahrhundertwende lebt die Familie in diesem Haus, obwohl auch diese Grundstück damals soweit außerhalb der Stadt lag, das noch nicht mal die Pferdebahn dort fuhr.

Die Fahrgeschäfte veränderten sich immer schneller. Nach dem ersten Weltkrieg gab es schon eine Autobahn, die stolz "Avusbahn" genannt wurde und mit einer eigenen Stromerzeugung versehen war . Außerdem gab es noch eine "Planetenbahn", ein "Aeroplan" und einen "Pendelkreis", der als Vorgänger unseres Hula - Hup – Karussells gelten kann. Das Riesenrad wurde zur damaligen Zeit "russische Schaukel" genannt.

Ein Dauerbrenner war jedoch die hohe Rutschbahn, die von den Düsseldorfern die "Jimmy Bahn" genannt wurde, einem Modetanz der 20er Jahre. Junge Düsseldorfer Männer wurden damals von Theodor Osselmann als Mattenträger angeheuert denn die Matten, die unter den Po zum Schutz vor der Reibungshitze beim fahren, mussten ja nach Gebrauch von untern nach oben transportiert werden.

Bemerkenswert war übrigens auch, wie immer mehr Fahrgeschäfte die Namen von Modetänzen übernahmen und deren typische Bewegungsabläufe nachzuahmen versuchten.



Im Winter, wenn nicht gereist wurde, konnten die Schausteller ihre Fahrgeschäfte auf dem Gelände der Kaiserswerther Strasse instand setzen und modernisieren. Die Ideen dazu gingen meist von den Schaustellern selbst aus, die immer ein feines Gespür für die Wünsche der Volksfestbesucher hatten und bis zum heutigen Tag auch immer noch haben.

Um die lange Ruhezeit abzukürzen, wurde auf einem, am Bismarkweg in Ludenberg gelegenes Gelände erworben. Dort wurde dann von Ostern bis Pfingsten ein Osselmann ́sches Karussell, sowie ein paar Imbissstände aufgebaut.

Die Düsseldorfer, die sonntags zum Schwof zur Tanzgaststätte Engels oder zum gegenüberliegenden Diana - Saal kamen, freuten sich darüber. Die Karnevalskirmes, ebenfalls ein wichtig zur berbrückung der einkunftslosen Winterzeit, fand in den dreißiger Jahren auf dem Karlsplatz statt.

In den letzten Kriegswochen 1945 erlebte Theodor Wilhelm Osselmann einen Verlust, den er nie überwunden hat. Amerikanische Granaten setzten die Halle in Brand, in der Rutsch- und Autobahn gelagert waren.

Der Osselmann ́sche Fahrbetrieb existierte somit nicht mehr.

Auf vielen Umwegen gelang ein Neuanfang, der von Willi Osselmann bewusst auf das verhältnismäßige bescheidene Schießbudenunternehmen beschränkt wurde. Beruf und Gelverdienen sollten nicht, wie das beim Leben im Wohnwagen unvermeidlich ist, auf Kosten des Familienlebens mit Wally und den beiden Töchtern betrieben werden.

Für den Düsseldorfer Osselmannzweig ist Willi der letzte Schaustellerrepräsentant. Er wurde kürzlich, stellvertretend für seine traditionsreiche Familie, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Seit mehreren Jahren ist Willi mit seiner Frau Wally im wohlverdienten Ruhestand. Sein Bruder Heinz verstarb im Jahre 1996, doch Gott sei Dank führt sein Sohn Ernst – Wilhelm Osselmann mit seiner Frau Dagmar den Autoscooterbetrieb weiter.

Ernst - Wilhelm reist mit dem größten Zwei -Säulen - Scooter "Diamond" weiterhin auf alle namhaften Schützenfeste in NRW.

Für sein unternehmerisches Engagement bei der größten Kirmes am Rhein wurde er am 18.07.2005 vom St. Sebastianus Schützenverein Düsseldorf 1316 e.V. ausgezeichnet.



Überreicht wurde die Auszeichung vom Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, Joachim Erwin. Leider nimmt das Leben von Ernst – Wilhelm und seiner Familie nur drei Jahre später am 14.07.2008, genau in Düsseldorf, eine tragische Wende. Während des Düsseldorfer Schützenfestes kommt Ernst - Wilhelm ins Krankenhaus und verstirbt nur knapp drei Monate später, am 04.10.2008, in Düsseldorf an einem Krebsleiden.

Ernst - Wilhelm hinterlässt seine Ehefrau Dagmar und seine inzwischen erwachsenen Töchter Sarah und Nina.

Trotz aller Trauer und unter schwersten Bedingungen hat sich Dagmar Osselmann vorgenommen diesen Familienbetrieb auch weiterhin im Sinne von Ernst - Wilhelm und seinen Vorfahren aufrecht zu erhalten.